LOVE&PEACE statt PECH in der Akutversorgung von Sportverletzungen
Die PECH-Regel:
Der Klassiker der Akutversorgung von (Sport-) Verletzungen
Spätestens beim Erste-Hilfe-Kurs kommt jeder zum ersten Mal in den Kontakt mit der PECH-Regel oder dem englischsprachigen Äquivalent – dem RICE-Prinzip. Diese Kürzel beschreiben Versorgungsmaßnahmen nach Weichteilverletzungen im Sport. Dabei stehen die Akronyme PECH und RICE für die vier durchzuführenden Maßnahmen nach einer solchen Verletzung. Die Durchführungsdauer der PECH-Regel beträgt zumeist unabhängig der Verletzungsschwere 3-5 Tage.[5][6]
Pause (Rest): Der betroffene Bereich sollte umgehend ruhiggestellt werden. Durch die Pause beziehungsweise Immobilisierung der betroffenen Körperregion soll eine weitere Blutung und damit die Vergrößerung des Hämatoms verhindert werden. [2][5]
Eis (Ice): Eis auf die betroffene Stelle legen. Durch die Kühlung der Verletzung soll der Entzündungsreiz reduziert und damit die Schwellung und der Schmerz gemindert werden.[2][5]
Kompression (Compression): Einen Kompressionsverband um die betroffene Region anlegen. Durch eine mäßige Kompression soll eine Ausbreitung des Hämatoms gemindert und eine starke Schwellung vermieden werden.[2][5]
Hochlagerung (Elevation): Das verletzte Areal hochlagern. Eine konsequente Hochlagerung soll die aufgezeigten Effekte ebenfalls unterstützen und darüber hinaus den Umfang der begleitenden Weichteilschwellung minimieren.[2][5]
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das primäre Ziel der Behandlung einer Verletzung mit Hilfe der PECH-Regel in der Reduzierung von Schmerz und Schwellung liegt.
PEACE and LOVE-Schema:
Aktivität als positiver Treiber der Wundheilung
Das Kürzel LOVE and PEACE ist im Jahr 2020 durch Dubois und Esculier im British journal of sports medicine veröffentlicht worden.
Protection (Schutz): Die Belastung durch schmerzverursachende Aktivitäten sollte reduziert werden. Im Gegensatz zur PECH-Regel sollte aber keine komplette Pause oder Immobilisation erfolgen.[1][3]
Elevation (Hochlagern): Die verletzte Struktur sollte äquivalent zur PECH-Regel so häufig wie möglich über Herzhöhe gelagert werden.[1][3]
Avoid Anti-Inflammatories (Entzündungshemmung vermeiden): Auf die Einnahme von entzündungshemmenden Medikamenten sollte verzichtet werden, da diese die langfristige Heilung der Struktur negativ beeinflussen können. Auch das in der PECH-Regel implementierte Kühlen mit Eis sollte vermieden werden.[1][3]
Compression (Kompression): Ähnlich zur Hochlagerung spielt auch die Kompression mittels Bandagen – die ebenfalls in der PECH-Regel Anwendung findet – eine Rolle. Diese soll auch im PEACE and LOVE-Schemata Flüssigkeitsansammlungen in Gelenken und Gewebsblutungen minimieren.[1][3]
Education (Bildung): PatientInnen sollte über die Vorteile einer aktiven Therapie und das richtige Belastungsmanagement aufgeklärt werden. Die Selbstheilungsprozesse unseres Körpers sollten im Mittelpunkt stehen.[1][3]
Nach etwa drei Tagen der Akutversorgung durch PEACE kommt dann LOVE ins Spiel. Bei diesen Kürzeln stehen die Buchstaben für:
Load (mechanische Last): Eine dosierte Belastungssteigerung ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zurück zur Aktivität. Mechanischer Stress sollte frühzeitig wieder ausgeübt und normale Aktivität aufgenommen werden, sobald es die Symptome erlauben. Der Schmerz kann in dieser Phase genutzt werden, um die Intensität der Belastung einschätzen zu können.[1][3]
Optimism (Optimismus): Ein positiver Ansatz im Umgang mit der Verletzung ist angesagt. Eine positive Erwartungshaltung in Bezug auf den Rehabilitationsverlauf ist mit besseren Ergebnissen und Prognosen assoziiert. Es sollte versucht werden, pessimistische Erwartungen zu vermeiden.[1][3]
Vascularisation (Durchblutung): Bereits einige Tage nach der Verletzung sollte mit schmerzfreier, durchblutungsfördernder Aktivität begonnen werden. Eine frühzeitige Mobilisierung und Ausdauersport mit geringer Belastung sollen die Funktion der betroffenen Körperregion verbessern, die Rückkehr in den Alltag und den Sport unterstützen und den Bedarf an Schmerzmitteln verringern.[1][3]
Exercise (Training): Durch strukturiertes Training sollen weitere Verletzungen vermieden werden. Gezielte Übungen tragen dazu bei, die Beweglichkeit und Kraft nach der Verletzung frühzeitig wiederherzustellen. Bei der Durchführung sollten starke Schmerzen vermieden werden, um eine optimale Heilung während der gesamten Genesungsphase zu gewährleisten. Außerdem wird weiterhin der Schmerz als Orientierung zur Belastungssteuerung genutzt.[1][3]
Das Ziel des PEACE&LOVE-Schemata ist es, im Gegensatz zu den bisherigen Versorgungskonzepten von akuten Sportverletzungen wie dem PECH/RICE-Schemata, auch die weniger akuten und chronischen Phasen der Wundheilung abzudecken. Zudem werden neben den physiologischen Komponenten einer Wundheilung auch psychosoziale Faktoren berücksichtigt, um eine optimale Genesung der Verletzung erreichen zu können.[1]
Fazit und unsere Empfehlung bei der Akutversorgung von Sportverletzungen
Es gibt keine wissenschaftlichen Nachweise, dass Kältetherapie, Hochlagern oder Kompression als Therapiemaßnahmen ohne zusätzliche Bewegungstherapie einen positiven Einfluss auf Schwellung oder Funktion bei Verletzungen haben. Während allerdings Kompression und Hochlagern keinen negativen Effekt auf die Wundheilung zu haben scheinen, könne es möglicherweise einen negativen Effekt von Eis auf die Wundheilung geben.[4] Aus diesem Grund wird die Verwendung von Eis als Maßnahme zur Akutversorgung im PEACE&LOVE Schema in Frage gestellt. Eis wirke in erster Linie schmerzlindernd, könne jedoch die Entzündung, die Bildung neuer Blutgefäße und die Wiederherstellung der Blutgefäße stören sowie die Infiltration von Immunzellen verzögern und dementsprechend zu einer Beeinträchtigung der Gewebereparatur führen.[1]
Aus unserer Sicht ist die Berücksichtigung der weniger akuten und langfristigen Phasen der Wundheilung der große Vorteil des PEACE&LOVE Models. Um diese nicht negativ zu beeinflussen, sollten – wenn möglich – keine entzündungshemmenden Medikamente verwendet werden. Bei der Verwendung von Eis sollte zumindest an mögliche Effekte der Anwendung auf die Wundheilungsphasen gedacht werden. Möglicherweise kann durch die immer wiederkehrende Verwendung von Wasserschwämmen aus Eiswasser in der Akutphase der Verletzung ebenfalls ein schmerzlindernder Effekt erwirkt werden, ohne dabei die Phasen der Wundheilung negativ zu beeinflussen. Durch PEACE&LOVE wird darüber hinaus die Selbstwirksamkeit der betroffenen Person in den Fokus des Behandlungskonzeptes gestellt. Als Betroffene haben wir selbst unsere Genesung in der Hand und können durch zielgerichtete aktive Maßnahmen diese positiv beeinflussen. Diese Chance sollten wir nutzen.
Literatur
[1] Dubois, B., & Esculier, J. F. (2020). Soft-tissue injuries simply need PEACE and LOVE. British journal of sports medicine, 54(2), S. 72–73. https://doi.org/10.1136/bjsports-2019-101253
[2] Fuchshuber, J. (2023). Die PECH-Regel für Sportlerinnen und Sportler. Zugriff am 30.08.2023 unter https://www.tk.de/techniker/magazin/sport/sportverletzungen/pech-regel-2006152.
[3] OSInstitut (21.07.2022). Rehabilitation. PEACE & LOVE bei Weichteilverletzungen. Zugriff unter https://www.osinstitut.de/news/peace-and-love-bei-bandverletzungen?focus=rehab.
[4] Reuter, S. (2021). Angewandte Sportphysiotherapie – Untere Extremität. Evidenz für Befund und Behandlung. Berlin: Springer.
[5] Riepenhof, H., McAleer, S., Delvescovo, R., Lindenmeyer, S. & Sikorski, F. (2018). Sportverletzungen – Möglichkeiten und Grenzen der konservativen Therapie. Trauma Berufskrankh 20(4), S. 265–271.
[6] an den Bekerom MP, Struijs PA, Blankevoort L, Welling L, van Dijk CN, Kerkhoffs GM (2012). What is the evidence for rest, ice, compression, and elevation therapy in the treatment of ankle sprains in adults? Journal of Athletic Training,47(4), S. 435-43.